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Ich hasse Geburtstage – Zwischen Fremdscham und Kuchenpflicht

Geburtstage sollen schön sein. Persönlich, herzlich & emotional. In der Praxis sind sie aber oft einfach nur eins – Unangenehm. Ob als Gastgeber:in oder Gratulant:in – Geburtstage bringen Menschen in soziale Situationen, in die sie nie freiwillig geraten wären. Und das jedes Jahr aufs Neue. Von Gewohnheit ist keine Spur zu finden.

Die Pflicht zur Freude

Geburtstag haben heißt: Man muss gut drauf sein. Unbedingt und um jeden Preis.
Ob man will oder nicht, spielt dabei keine Rolle – denn „Heute ist dein Tag!“ Und der hat schließlich gut zu laufen. Die Erwartung, an einem bestimmten Tag emotional präsent, gut gelaunt und aufnahmefähig zu sein, ist nichts anderes als Zwang mit Torte.

Wer einfach seine Ruhe will, wird schräg angesehen. Wer nicht feiern möchte, „hat wohl ein Problem mit sich selbst“. Geburtstage sind nicht individuell – sie sind kollektiv genormt.

Soziale Hierarchien und Gratulationspanik

Wer wann wem wie gratuliert –  das ist ein soziales Minenfeld. Instagram-Story oder WhatsApp? Anruf oder Text? Zu spät ist unhöflich, zu früh ist aufdringlich, zu gar nicht ist tödlich. Und wehe, man vergisst einen Geburtstag – dann ist das keine Lappalie, sondern ein Beziehungsdelikt.

Geburtstage sind keine persönlichen Daten mehr, sie sind sozial codierte Prüfungen, die Jahr um Jahr wiederholt werden müssen.

Altern, aber bitte nicht drüber reden

Das eigentliche Thema – das Älterwerden – wird dabei weitgehend verdrängt. Geburtstage feiern das Lebensjahr, nicht das Leben. Fragen wie „Bin ich da, wo ich sein will?“ oder „Wofür war das letzte Jahr gut?“ werden überdeckt mit Girlanden und Prosecco. „Bleib so, wie du bist!“, was ist aber, wenn ich das gar nicht will?

Feiern statt Reflektieren – das ist das Motto. Und wer sich trotzdem fragt, was das alles eigentlich soll, bekommt einen Ratgeber geschenkt mit dem Titel: „Jeder Tag ist ein Geschenk“. Ja – aber manche will man das eben auch umtauschen.

Geburtstage sind keine Pflichtveranstaltung

Geburtstage sind okay – wenn man sie freiwillig feiert. Aber in ihrer aktuellen Form sind sie oft Pflichtübungen mit sorgloser Muffin-Garantie, soziale Inszenierungen unter Erwartungsdruck. Und wer sie nicht liebt, ist nicht undankbar – sondern einfach ehrlich. Nicht jeder hat Lust auf Luftballons, Torte, Kerzen und Small Talk über das neue Alter.
Manche möchten einfach nur in Ruhe altern – ohne Kalorien, Kalendersprüche oder Kollegenkuchen.