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Ich hasse Sprachnachrichten – Das Drama der digitalen Sprachfolter

Sprachnachrichten sind die Kaffeeflecken des digitalen Alltags: Keiner will sie, jeder hat sie. Einst als „praktische Alternative zum Tippen“ eingeführt, haben sie sich zur akustischen Dauerbelästigung entwickelt. Gefühlt äußert jeder zweite den Satz „Ich hasse Sprachnachrichten!“ Und wer glaubt, dass 1:47 Minuten Audio schneller zu konsumieren sind als drei getippte Sätze, glaubt auch an gesunde Döner.

Der Einstieg ist immer zu lang & nie auf den Punkt

Die typische Sprachnachricht beginnt nicht mit einer klaren Aussage, sondern mit Atmen, Ähs und „Also…“. Der Inhalt? Er ist unstrukturiert, assoziativ und am Ende meist irrelevant. Statt „Kommst du heute?“ heißt es: „Also, ich war ja vorhin noch einkaufen und da habe ich dich irgendwie fast angerufen, aber dann dachte ich… ach egal, meld dich einfach.“ Für viele sind Sprachnachrichten ein modernes, akkustisches Tagebuch. Nur mit dem Unterschied, dass man es nicht für sich selbst kreiert, sondern andere in die Lebensgeschichte miteinbezieht.

Man wünscht sich manchmal die Abkürzung „tl;dv“ – too long, didn’t voice.

Informationsverarbeitung mit null Struktur und null Erinnerung

Wer sich fünf Sprachnachrichten am Stück anhört, weiß danach… nichts. Die Informationen gehen in einem akustischen Brei aus Tonfall, Nebensätzen und Hintergrundgeräuschen unter. Kein „Nachschlagen“, kein „Durchsuchen“, kein „Kopieren“, sondern nur ein dumpfes Gefühl von Zeitverlust und innerer Leere. Schrift ist nicht umsonst eine Kulturtechnik und Sprache war nie dafür gedacht, per WhatsApp archiviert zu werden. Sprachnachrichten zu hassen ist damit keine Seltenheit.

Text gewinnt. Und das (fast) jedes Mal

Wer effizient kommunizieren will, der schreibt. Punkt! Sprachnachrichten gehören vielleicht in die Dating-Phase, die Grundschule oder ins Radio, aber nicht in die Alltagskommunikation zwischen Erwachsenen, die etwas mitzuteilen haben. Wer Wert auf klare, prägnante Information legt, schätzt Satzzeichen mehr als Sprechpausen.

Und wer Sprachnachrichten wirklich mag? Der hat vielleicht noch nie versucht, eine davon zu beantworten, während jemand daneben steht und fragt: „Was hat sie gesagt?“ – Fazit: Ich hasse Sprachnachrichten!